Plötzlich schrecke ich aus dem Schlaf hoch als ich eine Hand an meinem Rücken spüre. Wo bin ich? Hektisch schaue ich mich um. Ich bin wohl in der Bibliothek eingeschlafen. Ich drehe meinen Kopf, um herauszufinden zu wem diese Hand gehört. Ich blicke direkt in das Gesicht von Jules.
«Wie spät ist es?», frage ich gähnend.
Ich strecke mich und recke meinen Nacken. Die Position, in welcher ich geschlafen habe, war nicht gerade gemütlich.
«Halb acht.»
«Was? Hast du gerade halb acht gesagt?»
Jules nickt und setzt sich auf den Stuhl neben mir. Ich schiebe die Bücher etwas von mir weg. Dann stellt Jules eine Tasche auf den Tisch.
«Was ist das?»
«Ich dachte mir, dass du heute noch nicht richtiges gegessen hast, darum habe ich ein Bibliotheken-Picknick vorbereitet.»
Ich schaue mich um, ob wir jemanden stören. Jedoch befindet sich keine Menschenseele sonst in der Bibliothek. Jules beginnt das Essen vor uns auszubereiten. Chinesisch in der Box, Chips, Früchte, Kekse und sogar was, das wie Pudding aussieht.
«Wow», starre ich sie an, als sie auch noch Stäbchen und Servietten auspackt: «Du hast wirklich an alles gedacht.»
Sie grinst bestätigend und wie auf Kommando knurrt mein Magen.
«Danke», sage ich.
«Greif zu», fordert sie mich auf.
Dazu muss sie mich nicht zweimal auffordern. Ich greife in die Chipstüte und nehme mir anschliessend eine der zwei Boxen mit chinesischem Essen. Es ist ein Nudelgericht mit Hähnchen und Gemüse. Genüsslich nehme ich den ersten Bissen.
«Manchmal bist du einfach zu gut für mich Jules.»
«Und du kannst manchmal ein richtiger Charmeur sein», erwidert sie neckend.
«Irgendwie musste ich dich ja rumkriegen. Auf meine Nackteinlage bei euch im Zeichenkurs bist du ja nicht eingegangen.»
Jules stösst mit ihrer Schulter spielerisch gegen meine und lacht. Dabei funkelt die mit Steinchen besetzte Kugel ihres Zungenpiercings. Wie sie freiwillig eine Nadel durch ihre Zunge stechen lassen hat, verstehe ich immer noch nicht. Dass es aber beim Küssen was hat, muss ich leider gezwungenermassen zugeben. Obwohl ich ihr das nie sagen würde, damit würde sie mich lebenslang aufziehen. Genüsslich verspeise ich das mitgebrachte Essen und betrachte sie. Jules trägt einen grauen Strickpulli, der bis zu ihren Oberschenkeln reicht, dazu schwarze Strümpfe und Boots. Ihre Haare sind zusammengebunden, aber einige Strähnen umspielen ihr Gesicht. Sie sieht glücklich aus. Die Art, wo sie von innen heraus strahlt.
«Sag mal; hast du schon ein Kostüm für Halloween?»
«Halloween ist erst in einer Woche. Normalerweise mache ich mir am Tag vorher mal ein paar Gedanken.»
«Männer und Planung. Da sind zu neunzig Prozent alle gleich.»
«Hey. Ich zeig dir gerne wie männlich ich bin.»«Darum geht es nicht. Ich wollte eigentlich fragen, ob du ein Partnerkostüm oder selber was machen willst?»
«Ist eigentlich egal. Hauptsache verkleidet», sage ich.
«Darf ich was organisieren», fragt sie gespannt.
«Na klar. Solange ich nicht als Einhorn oder Minions gehen muss.»
«Dann ist Schildkröte oder Cookie-Monster also okay», spaßt sie.
«Aber klar doch. Solange ich das Monster und das Cookie bist?», spiele ich mit.
Jules errötet leicht. Kann das wirklich sein?
«Jules Mackenzie? Habe ich sie wirklich gerade in Verlegenheit gebracht?»
«Gar nicht wahr!», verteidigt sie sich.
«Warum werden sie dann rot?»
«Mein chinesisch war nur extrem scharf», flunkert sie.
«Genau und ich bin in Wahrheit eine Frau.»
«Du bist was?»
«Hast du zugehört? Oder stellst du das echt in Frage?»
«Ich...», beginnt sie.
Doch ich falle ihr ins Wort: «Halt das nehme ich zurück. Das steht nicht zur Debatte.»
In diesem Moment kommt die Aufsicht rein, die die Bibliothek abschliessen soll. Was schon so spät? Sie schaut böse auf das Essen, doch wir zucken beide nur mit den Schultern und packen hektisch alle unsere Sachen zusammen. Ich hänge mir meinen Rucksack lässig über eine Schulter und verschlinge die Finger der anderen Hand mit Jules freier Hand. Sanft streichle ich ihren Handrücken mit meinem Daumen. Ein Schauder durchfährt sie, was mir Genugtuung verschafft. Wir gehen gemeinsam durch die Anlage zurück zum Wohnheim. Aus einigen Wohnheimen dröhnt laute Musik. Die von Laternen beleuchteten Strassen sind aber fast ausgestorben. Im Flur von unserem Wohnheim bleiben wir stehen.
«Herzlichen Dank für das Abendessen. Es war schön», danke ich ihr.
«Gerne. Ich habe es auch genossen», erwidert Jules.
«Ab Montagabend habe ich wieder mehr Zeit. Das Verspreche ich. Diese Woche war ziemlich hart.»
«Schon gut. Ich mache dir keine Vorwürfe.»
Dann tritt sie ganz nahe an mich heran und stellt sich auf die Zehenspitzen, so dass wir fast auf Augenhöhe sind. Sie gibt mir einen leidenschaftlichen Abschiedskuss.

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that something between us
RomanceJules und Nick sind die besten Freunde seit sie denken k?nnen und daran soll auch alles so bleiben wie es ist. Aber was ist, wenn die Grenze zwischen Freundschaft und Liebe pl?tzlich zu verschwimmen beginnt? K?nnen sie ihre Freundschaft erhalten ode...
Nick
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