Der Neue zuckte mit den Achseln und lehnte sich mit verschränkten Armen an einen der Tische vor uns: „Hm... ich habe in letzter Zeit den Drang wieder mehr mit meinen Freunden aus Amerika zu telefonieren, aber ich weiß nicht, was das bedeuten soll... wenn es überhaupt etwas bedeutet. Ich find's manchmal schwer herauszufinden, ob meine Gabe am Werk ist oder nicht."
Jin schmollte: „Hm, ich habe leider auch gar keine Ahnung."
„Gehst du zum Fußball gleich?" wechselte Tae plötzlich das Thema.
Jungkook nickte eifrig: „Yoongi ist schon vorgegangen, kommt ihr auch?"
Mein bester Freund und ich warfen einen fragenden Blick zu Jin, welcher sich etwas widerwillig von seinem Stuhl erhob: „Na los" murrte er und wir machten uns auf den Weg zum Fußballplatz.
Wir waren spät dran und somit die letzten in der Umkleidekabine. Rasch wechselte ich meine Klamotten und stopfte meine Sachen in einen der kleinen Spinte.
Als wir gerade fertig waren, betrat Heeseung plötzlich schwungvoll den kleinen Raum. Er schaute mich auffordernd an: „Jimin, ich möchte kurz mit dir unter vier Augen reden."
Ich hätte mit vielem gerechnet, aber nicht damit. Hatte er etwa den gleichen Verdacht wie Yoongi? Würde er mir jetzt vorwerfen, ich hätte Niki und ihn verraten?
Scheiße, er war ein begabter Kämpfer... wenn er mir hier in dieser Umkleidekabine den Hintern versohlen wollte, würde ich ihn möglicherweise nicht daran hindern können.
„Ehm... ok?" sagte ich schließlich leicht überfordert und warf einen unsicheren Blick zu meinen drei Freunden. Tae stand hinter Jungkook und interpretierte meinen Blick leider fälschlicherweise als Wink mit dem Zaunpfahl, zu verschwinden. Er packte unseren neuen Klassensprecher an den Schultern und schob ihn vor sich her Richtung Ausgang: „Wir sind schon weg!" trällerte er und Jin folgte unauffällig.
Protest wäre peinlich gewesen, also ließ ich es einfach geschehen. Als die drei im Flur verschwunden waren, schaute ich Heeseung an. Er schwieg und seine Augen waren starr auf den grauen Boden gerichtet. Dabei schien er zum Glück weder wütend noch aggressiv zu sein. So verging eine ganze Weile.
„Wie kann ich dir helfen?" fragte ich schließlich, um ihn zum Sprechen zu bewegen.
Aber auch das schien nicht zu wirken. Meine Erfahrung sagte mir, dass er gerade irgendwelche dämlichen Selbstgespräche führte, um herauszufinden, ob ich seine Gedanken hören konnte... Die meisten Leute taten das, wenn sie mir begegneten.
‚Hallo? Wenn du mich hörst, dann winke jetzt... An was für eine Farbe denke ich? ... hallo hallo hörst du mich? Test Test Test, jetzt auf keinen Fall an mein Geheimnis denken Test Test Test'
Ähnlicher Schwachsinn ging ihm wahrscheinlich gerade im Kopf herum und ich konnte nur abwarten.
Als er sich anscheinend sicher war, dass ich ihn tatsächlich nicht hörte, begann er endlich zu sprechen: „Ich... ich möchte dich bitten Namjoons Gedanken zu lesen. Ich muss einfach herausfinden, warum er lügt. Ich habe ihm so sehr vertraut und kann einfach nicht begreifen, was in ihn gefahren ist" sagte er schließlich mit fester Stimme, traute sich dabei aber immer noch nicht, mir ins Gesicht zu sehen.
Ich war zwar zunächst erleichtert, dass er mich nicht wie Yoongi verdächtigte... seine Bitte fühlte sich allerdings definitiv wie eine Grenzüberschreitung an.
Aber da er schon den Mut aufgebracht hatte, überhaupt mit mir zu reden, wollte ich ihn nicht direkt dafür bestrafen. Es sollte schließlich später nicht heißen, der Gedankenleser würde jeden beschimpfen, der sich traute mit ihm zu reden...
„Das kann ich auf keinen Fall tun Heeseung" antwortete ich in freundlichem, aber bestimmten Ton. „Das ist ein Eindringen in Namjoons Privatsphäre, das ich nicht rechtfertigen kann. Ich verstehe deine Not, aber ich muss leider ablehnen."
„Ok..." Heeseung akzeptierte es sofort und verbeugte sich höflich vor mir. „Ich habe es mir ehrlich gesagt schon gedacht, du bist ein ziemlich anständiger Kerl, nicht wahr? ...Trotzdem Danke, für deine Zeit."
Ich war völlig überfordert damit, dass jemand, der nicht Jin, Tae oder Jungkook war, tatsächlich meinen Charakter richtig deutete. Ebenfalls höflich verbeugte ich mich: „Kein Problem."
„Ich muss nochmal aufs Klo, geh du schon vor zu den anderen" und schon schoss er herum und verschwand in einem der Badezimmer der Umkleidekabine.
Trotz seiner Höflichkeit war diese Situation irgendwie unangenehm und ich wollte jetzt nicht riskieren, ihm noch einmal unter vier Augen zu begegnen. Schnell rannte ich los und durch die offene Tür in den Flur...
Wo ich mit vollem Schwung in Min Yoongi hineinlief. Den körperlichen Aufprall bekam ich nicht einmal mit, da mein Bewusstsein geradewegs in die Stacheln flog, die ich seit jenem Tag im ersten Jahr so krampfhaft gemieden hatte.
Der altbekannte Schmerz schoss durch meinen ganzen Körper und ein Schrei löste sich aus meiner Kehle. Reflexartig taumelte mein Bewusstsein zurück. Anders als beim letzten Mal, ließ der Schmerz jedoch in der Sekunde nach, in der ich seinen Panzer nicht mehr 'berührte'.
Verängstigt blickte ich auf und sah direkt in Yoongis Gesicht. Er schaute mich mit großen Augen an: „Jimin, ist alles in Ordnung?"
Wieso zu Hölle klang er ehrlich besorgt?
Ich schubste ihn reflexartig weg von mir. Da er mich allerdings aufrecht gehalten hatte, sackten mir die Knie weg und ich glitt langsam auf den Boden. Dieser Moment war so erniedrigend, dass mir die Tränen in die Augen schossen.
Verdammt, was hatte ich ihm bitte getan? Er ging langsam wirklich zu weit.
„Jimin, ist alles ok?" wiederholte er und ging ein Stück entfernt vor mir in die Hocke, um mir aufmerksam ins Gesicht schauen zu können.
Dass er jetzt auf dumm tat, brachte das Fass zum Überlaufen: „Alles ok!? Ich habe keine Ahnung, was deine Scheiß Gabe ist, aber sie ist schrecklich! DU bist schrecklich!!" rief ich verzweifelt aus, rappelte mich auf und rannte so schnell ich konnte den Gang entlang. Schnell weg, irgendwohin, wo es Zeugen gab.
Als ich das Gebäude auf dem Weg zu den Fußballplätzen verließ, wischte ich mir hastig die Tränen ab. Wenn ich die nächsten Wochen überstehen wollte, durfte ich mich von Yoongi nicht so aus der Fassung bringen lassen...
„Was wollte Heeseung?" fragte Tae neugierig, als ich bei meinen Freunden ankam.
Über den Schreck hatte ich meine Begegnung mit Heeseung für einen kurzen Augenblick vergessen und war nun dankbar für die Ablenkung: „Er wollte, dass ich Namjoon ausspioniere..." sagte ich und schaute meine Freunde skeptisch an.
„Krass" sagte Tae nur und auch Jin wirkte überrascht: „Hä? Ist es nicht irgendwie... distanzlos, dass er dich sowas fragt?"
Ich zuckte mit den Schultern: „... um nicht zu sagen dreist. Aber ich habe sehr höflich abgelehnt."
Jungkook, der neben Tae stand, war ebenfalls sichtlich irritiert: „Ich hätte nie gedacht, dass Heeseung sich trauen würde, überhaupt mit dir zu reden... Geschweige denn so eine Bitte zu äußern."
Schnell ergriff ich das Wort, ich wollte den armen Heeseung nicht schlechter dastehen lassen als nötig: „Naja, er hat meine Absage auf jeden Fall sehr freundlich entgegen genommen... vergessen wir das einfach" winkte ich ab.
Da Yoongi gerade am Spielfeldrand erschien und zielstrebig auf Jungkook zusteuerte, packte ich meine besten Freunde: „Wir legen dann mal los" sagte ich beschwingt zu unserem neuen Klassensprecher und zog die beiden mit mir fort... Wo auch immer sich der Affe in nächster Zeit aufhalten würde, ich würde stets sichergehen, dass es weit weg von mir war.

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Enhanced ~ Yoonmin
FantasyMit 10 Jahren wurde ich unter vielen Bewerbern ausgew?hlt und erhielt eine Operation, die mich zum Stolz meiner ganzen Familie machte. Woher h?tte ich damals wissen sollen, dass meine besondere Gabe meine ganze Identit?t werden würde? Sie war mein e...