Schon während ich unter die Bettdecke schlüpfte, war mir klar, dass ich so bald keinen Schlaf finden würde.
Die Bilder des heutigen Abends liefen wie ein Film vor meinem inneren Auge ab. Dabei drängte sich eine Szene immer wieder besonders schmerzhaft in den Vordergrund: Wie ich breitbeinig auf Jays Schoß saß und ihn küsste... während Yoongi irgendwo im Hintergrund gestanden hatte und alles mit angesehen haben musste.
„Aua." Entfuhr es mir und ich zog mir reflexartig die Bettdecke höher über meinen Kopf. Wie sollte ich ihm morgen bitte in die Augen schauen können?
-
Ich löste das Problem, indem ich ihm am nächsten Tag einfach nicht unter die Augen trat. Obwohl Hütte 27 uns am Sonntagnachmittag alle ‚zum Kaffee' eingeladen hatte, schob ich vor, ich bräuchte mal Zeit für mich.
Die Bedrohung war mit Jays Verschwinden schließlich offiziell beseitigt und ich sah meine Anwesenheit bei diesem Kaffeekränzchen keinesfalls als notwendig an... Auch, wenn mich natürlich brennend interessierte, ob Yoongi und Jungkook ihre Mission erfolgreich zu Ende gebracht hatten.
Am Vormittag suchte ich Zerstreuung in den Schwimmanlagen und gönnte mir nach einem kleinen Mittagessen, erstmal einen Saunagang. Da es heute erstaunlich leer war, fand ich sogar eine Halle, in der ich völlig allein war. Dieser Tag bot also eigentlich ein schönes Erholungsprogramm für mich...
Aber die Geschehnisse von letzter Nacht verfolgten mich quälend. Und so geriet mein Entschluss, dem Treffen fernzubleiben, ein ums andere Mal kurz ins Wanken... aber schlussendlich, konnte ich mich einfach nicht dazu durchringen, Yoongi zu begegnen.
Da ich allerdings auch niemandem sonst begegnen wollte, streifte ich am Nachmittag über das Campgelände und suchte schlicht einen Trainingsort, an dem ich GANZ allein sein würde.
Bei dem Gelände für Bogenschießen wurde ich schließlich fündig: Keine Menschenseele... Obwohl ich schlecht im Bogenschießen war, hatte es stets etwas Meditatives für mich gehabt und so übte ich, bis die Sonne unterging.
Meine Gedanken hatten sich gerade halbwegs beruhigt, als es auch schon Zeit war nach Hause zu gehen und sofort kehrte die Unruhe zurück... Was würde mein bester Freund mir gleich berichten?
Zum Glück erspähte ich Tae auf der Couch, noch während ich die Treppen der Veranda heraufeilte. Er hatte anscheinend auf mich gewartet und musterte mich jetzt misstrauisch: „Alles ok?"
„Na klar" winkte ich ab und schloss leise die Haustür. Sofort stellte ich die Frage, die mir auf der Seele brannte: „Wie war's bei Yoongi und Jungkook? Lief das Wochenende der beiden soweit... reibungslos?"
Tae sah mich ernst an, zückte sein Handy und legte es neben sich auf die Couch. „Bei den beiden soweit alles prächtig" trällerte er betont unbekümmert, während er an den Sicherungskasten ging und den Schalter fürs Bad umlegte.
Sofort ließ ich mein Handy auf das Sofa gleiten und folgte ihm unauffällig.
„Hat wirklich alles geklappt?" fragte ich begierig in der Sekunde, in der die Badezimmertür hinter uns zugefallen war.
Tae nickte: „Es ist wirklich alles gut gelaufen. Wo auch immer sie ihn hingebracht haben, sie schwören Stein und Bein, dass es ihm dort gut geht. Und Jin und seine Gabe sind höchst zufrieden mit dem Ergebnis... Wir haben sogar Nummern mit Yoongi getauscht. Er hat versprochen, uns in den nächsten Monaten auf dem Laufenden zu halten und Updates von Jay zu schicken... aber jetzt erzähl mir endlich, was da zwischen dir und Yoongi vorgefallen ist!"
Überrascht sah ich Tae an. Er sollte eigentlich keine Ahnung haben, dass irgendetwas zwischen mir und Yoongi nicht stimmte: „Ehm... ehrlich gesagt... gar nichts ist vorgefallen. Zumindest nicht direkt... wieso?" antwortete ich zögerlich.
Mein bester Freund zog skeptisch eine Augenbraue nach oben: „Yoongi war richtig... ja keine Ahnung, irgendwas war mit ihm, als wir verkündet haben, dass du heute nicht kommen würdest. Ich verstehe den Jungen doch auch nicht... Also jetzt erzähl endlich, was da los war!"
Warum musste mein bester Freund auch ein so scharfer Beobachter sein... Ich knirschte mit den Zähnen, wusste aber gleichzeitig, wann ich kapitulieren musste. Ich erzählte ihm so detailarm wie möglich, wie ich es gestern in Jays Kopf geschafft hatte.
Zu meiner Überraschung, zog mich Tae nicht auf. Im Gegenteil, er schwieg eine ganze Weile und musterte mich besorgt.
„Scheiße Chim... du magst ihn, das ist dir klar, oder? Sonst würde es dir völlig egal sein, mit wem er dich rummachen sieht."
Mutlos ließ ich den Kopf hängen. Diese Erkenntnis hatte ich spätestens seit letzter Nacht nicht mehr leugnen können. „Aber ich habe auch Angst vor ihm Tae. Irgendwas stimmt offensichtlich nicht mit ihm. Er hat die Autorität, sich mit Herrn Cho anzulegen und lässt Jay... einfach so... verschwinden? Außerdem habe ich gestern gesehen, wie er Jay mit einem einzigen, kleinen Blick... bewusstlos geschlagen hat."
Mein bester Freund sah mich besorgt an. Offenbar hatte sogar er jetzt keine aufmunternden Worte mehr übrig.
„Tae ich... ich gehe jetzt schlafen. Bitte... kannst du mich damit vielleicht ausnahmsweise in den nächsten Tagen in Ruhe lassen?"
Er nickte verständnisvoll: „Ja ok. Ich lasse dich zwar ungern so einfach vom Haken, aber komm erstmal auf deine Gefühle klar. Wenn was ist, rede mit mir, ok? Und ehm... Ich bin zwar kein großer Fan von dem Affen... aber ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass er so schlecht ist, wie wir immer gedacht haben."
Während ich mich erhob, seufzte ich: „Genau das ist ja das Problem. Er benimmt sich so schrecklich... lieb? ... mir gegenüber."
Tae grinste mich ein wenig bemitleidend an: „Armer Chim... aber wenigstens hat es dich jetzt auch mal erwischt."
Ich rollte ein letztes Mal gespielt mit den Augen und schlüpfte zurück auf den Flur. Ohne Umwege bog ich in mein Zimmer, um mich in meinem Bett der üblichen Verzweiflung zu ergeben.

DU LIEST GERADE
Enhanced ~ Yoonmin
FantasyMit 10 Jahren wurde ich unter vielen Bewerbern ausgew?hlt und erhielt eine Operation, die mich zum Stolz meiner ganzen Familie machte. Woher h?tte ich damals wissen sollen, dass meine besondere Gabe meine ganze Identit?t werden würde? Sie war mein e...