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Kapitel 2 - An die Arbeit

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Es war noch nicht richtig hell, als Lisa schon komplett angezogen in ihrem Göberitzer Zimmer stand und ihre Sachen zusammensuchte. Heute würde sie zu Kerima fahren und sich einen Überblick über die Lage der Firma verschaffen. Schließlich hatte sie sich schon viel zu lange rausgehalten und als Mehrheitsseignerin kann sie sich nicht ewig davor drücken. Aus ihren Flitterwochen waren Flitterjahre geworden, und sie hatte bisher nie den Mut fassen können, zurückzukehren. Als dann auch noch ihre Ehe mit David zerbrach, nahm sie dies als Vorwand, ihre Rückkehr noch weiter hinauszuzögern. Schließlich musste sie selbst ja erst einmal damit fertig werden und alles verarbeiten. Dass dies nur eine faule Ausrede war, wollte sie sich damals natürlich nicht eingestehen. Jetzt war es aber vorbei mit Aufschiebereien und Ausreden; das waren beides Sachen, die überhaupt nicht zu der alten Lisa gepasst hatten. Sie war jetzt zwar nicht mehr so wie früher und war froh, dass sie sich auf vielen Ebenen weiterentwickelt hatte, allerdings waren ihre Grundprinzipien und ihre Moral das, was sie über die Jahre zum Teil verloren hatte. Lisa Plenske aus Göberitz handelte immer gewissenhaft. Bei ihr lief meistens alles nach Recht und Ordnung und in geregelten Bahnen. Über die Jahre wurde sie aber zu Lisa Seidel, die für einen Traum, welcher sich als Albtraum herausstellte, fast alles getan hatte, ohne Rücksicht auf Verluste. Eine Person, die nicht mal einen Tag warten konnte, um die Gefühle des Mannes zu verschonen, der immer zu ihr hielt. Stattdessen heiratete sie nur Minuten, nachdem sie eben diesem Mann das Herz brach, den Mann, der ihres so oft gebrochen hatte und es auch in Zukunft noch oft tun sollte. Sie erkannte diese Person nicht wieder und es grauste ihr vor ihrem eigenen herzlosen Verhalten.

Lisa war so in Gedanken versunken, dass sie nicht merkte, wie schnell die Zeit um sie herum weitergelaufen war. Sie warf einen kurzen Blick auf die Uhr an der Wand, schnappte erschrocken nach ihrer Tasche und machte sich mit schnellen Schritten zum Göberitzer Bahnhof.

Als Lisa das noch komplett menschenleere Bürogebäude betrat, wurde sie direkt von einer Reihe verschiedener Emotionen und Erinnerungen übermannt, sowohl gute als auch schlechte Dinge schwirrten durch ihren Kopf. Auch wenn ihre Gefühle so gemischt waren, löste die Umgebung irgendwie auch ein Gefühl von Heimat in ihr aus.

Sie ging als erstes zum Cateringbereich und stellte zufrieden fest, dass sie tatsächlich die einzige in der Firma war. Sie begann damit, sich eine Kanne Kaffee zu kochen. Sie wollte sich jetzt zwar ihren Pflichten und Aufgaben stellen, aber das hieß ja nicht, dass sie die Konfrontation mit ihren ehemaligen Kollegen, Angestellten sowie auch ihrem Schwiegervater nicht zumindest ein paar Stunden nach hinten verschieben konnte, indem sie sich erstmal in ihrem Büro verschanzte und sich einen Überblick über die Geschäftsunterlagen der letzten Jahre verschaffte. Mit der Kaffeekanne in der einen Hand und ihrer Aktentasche unter dem Arm geklemmt, machte sie sich auf den Weg in ihr altes Büro.

Es dauerte nicht lange, da standen die ersten Mitarbeiter vor ihrer Bürotür und warfen, nicht so unauffällig wie sie dachten, einen Blick in das momentan ansonsten ungenutzte Büro, welches mittlerweile keine Namensaufschrift mehr trug. Lisa bekam von all dem aber gar nichts mit, viel zu vertieft war sie in den Stapel Unterlagen, welchen sie bereits seit Stunden durcharbeitete.

Lisa öffnete die Schreibtischschublade und tastete sie auf der Suche nach einem funktionierenden Kugelschreiber ab. Sie zog einen Stift heraus und versuchte, die Schublade wieder zu schließen, doch irgendwas schien eingeklemmt zu sein. Sie griff in die Schublade und zog das störende Objekt heraus. Zufrieden mit dem jetzt problemlosen Schließen der Schublade bemerkte sie zunächst gar nicht, was sie da in ihrer Hand hielt. Erschrocken stellte sie fest, dass sie eine Einladung zu ihrer Hochzeit hielt, zu jener Hochzeit vor acht Jahren, welche durch ihre fatale Fehlentscheidung auch noch jetzt ihre Albträume beherrschte.

 Erschrocken stellte sie fest, dass sie eine Einladung zu ihrer Hochzeit hielt, zu jener Hochzeit vor acht Jahren, welche durch ihre fatale Fehlentscheidung auch noch jetzt ihre Albträume beherrschte

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Wie in Trance begutachtete sie die Karte mit dem Bild von ihr und Rokko drauf und fuhr vorsichtig mit ihrem Finger über das jetzt, durch die eingeklemmte Schublade, etwas beschädigte Material. Das Büro schien in der Zwischenzeit weiterhin benutzt worden zu sein, auch wenn auf den ersten Blick nicht viel verändert war, bis auf das Fehlen ihrer persönlichen Gegenstände, die sie natürlich mitgenommen hatte. Wie wahrscheinlich war es also, dass sie dieses Foto jetzt hier finden würde? Viel weiter kam sie mit dieser Überlegung allerdings nicht.

"Lisa?" Lisa erschrak vor der unerwarteten Störung, erschrocken wandte sie ihren Blick zur Tür, in der jetzt Friedrich stand und sie angesichts ihrer etwas aufgelösten Erscheinung mit einem besorgten Blick betrachtete. Schnell schob sie die Einladungskarte unter den Aktenberg und fühlte sich ertappt, als hätte sie irgendetwas Verbotenes getan und nicht nur ein Relikt aus ihrer Vergangenheit begutachtet.

"Tut mir leid, ich habe mehrmals geklopft, aber du hast mich scheinbar nicht gehört. Darf ich?" fragte Friedrich und gestikulierte in Richtung der Stühle vor ihrem Schreibtisch. Als Lisa nickte, ging Friedrich darauf zu und nahm vor ihr Platz. "Ist David auch hier?" Noch bevor Lisa zu einer Antwort ansetzen konnte, redete ihr Schwiegervater schon weiter. "Ihr habt lange nichts mehr von euch hören lassen. Ich bin froh, dich mal wieder zu sehen, ich muss gleich zu David. Wo ist er denn? Unten beim Catering?"

Friedrich erhob sich wieder von seinem Platz und wollte sich schon auf den Weg nach unten machen. "Nein. Friedrich, warte. David ist nicht mitgekommen," war alles, was Lisa sagen konnte, ohne Raum für weitere Fragen und Spekulationen zu lassen, auf die sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingehen konnte und wollte. "Du bist alleine hier?" kam die sichtlich enttäuschte Antwort von ihrem Gegenüber. "Ja, du weißt doch, wie David ist. Aber ich wollte einfach mal wieder nach dem Rechten sehen. Schließlich bin ich nach wie vor die Mehrheitseignerin, und so wie die Zahlen aussehen, durchlebt Kerima momentan nicht gerade die beste Zeit," lenkte Lisa die Unterhaltung schnell von ihrem Privatleben weg und spielte auf die Unterlagen der letzten Jahre und die missliche Lage der Firma an.

Friedrich senkte seinen Blick zum Boden. "Ja, das mag leider Gottes wohl stimmen. Hugo schien sich nach dem Tod von Frau Haas zwar zunächst langsam wieder gefangen zu haben und auf dem Weg der Besserung zu sein, aber das war leider nur von kurzer Dauer. Es war ein ständiges Auf und Ab, und er ist momentan in einer seiner größten Schaffenskrisen. Kerima hatte in der Modewelt immer die Nase vorn, aber seit wir unsere Geheimwaffe Hugo nicht mehr haben, war es leicht für die Konkurrenz, sich einen riesigen Vorsprung zu verschaffen, während wir in einem riesigen Rückstand sind, der nicht mehr aufzuholen scheint. Nach den ganzen Skandalen mit Richard und Sophie war unser Bild in der Öffentlichkeit bereits stark geschädigt und die PR-Berater, die wir in den letzten Jahren hatten, waren der Aufgabe nicht gewachsen, der Firma und Hugo wenigstens in der Öffentlichkeit den Rücken freizuhalten. Ich sage es nicht gerne, aber wenn nicht bald ein Wunder geschieht, steht es sehr schlecht um Kerima." Lisa musste schwer schlucken. Hätte sie gewusst, dass es so schlecht um die Firma steht, hätte sie sich schon früher dazu durchgerungen, wieder zurückzukehren.

Lisa und Friedrich führten noch ein langes Gespräch, zu ihrer Erleichterung ging es hauptsächlich um Geschäftliches. Nachdem Friedrich gegangen war, hatte sie sich wieder in die Arbeit gestürzt. So hatte sie gar nicht bemerkt, wie spät es nun schon war. So wie sie heute früh die erste in der Firma war, so war sie jetzt die letzte. Sie musste sich beeilen, damit sie die letzte Bahn nach Göberitz noch erwischte. Als sie noch schnell ihren Schreibtisch ordnete und die Akten zurechtrückte, kam unter einem der Stapel die Ecke der Hochzeitseinladung zum Vorschein, welche sie vorhin in Eile dort versteckt hatte. Vorsichtig hob sie den riesigen Papierstapel an und holte das Foto hervor.

Sie wusste genau, wer ihr und der Firma jetzt helfen könnte, aber konnte sie das wagen? Und würde er ihrem Hilferuf überhaupt folgen?

Verliebt in Berlin - Missed Chances (Lisa & Rokko)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt