JUST RUN (tmr, minho)

a weird boy

Eigentlich hasste das Mädchen es zu lesen, aber sie liebte Comics über alles. Sie starrte oftmals einfach nur auf die Bilder von den Menschen oder Superhelden und dachte sich ihre eigene Geschichte zu ihnen aus, anstatt sich die wirkliche Geschichte durchzulesen.

Im Grunde endete so etwas immer in stundenlangen Tagträumen, bis sie wirklich einschlief. Es war wie ein riesiger Kreislauf, aber die neunjährige kannte nichts anderes. Ihr Leben bestand aus dem Unterricht, Laborbesuchen und Comics. Selten konnte sie sich auch Musik anhören, meistens aber nur auf dem Tablet von Doktor Barnes und auch nur, wenn er es ihr erlaubte.

Die grünen Augen des Mädchens waren an die graue Decke gerichtet, als sie die Tür hörte. Verwirrt setzte sie sich auf und konnte so zu dem freundlichen Mann sehen, der in diesem Moment in ihr Zimmer sah.

"Kann ich reinkommen?", fragte er ruhig, obwohl beide wussten, dass er nicht fragen brauchte.

"Klar."

Stumm beobachtete das Mädchen den Mann, der sich in den letzten Jahren nur ein wenig verändert hatte. Seine schwarzen Haare bekamen die ersten grauen Strähnen, obwohl sich der Mann erst am Anfang seiner 40er befand. Rosalind wusste es nicht, aber der Stress und die Verantwortung, die auf den Schultern des Mannes lag, ließen ihn schneller alt werden, als er es wollte.

"Ich habe Neuigkeiten für dich, Rosalind.", eröffnete er ihr und neugierig beugte sie sich ein wenig nach vorn.

"Hört der Geschichtsunterricht endlich auf?", fragte sie beinahe hoffnungsvoll, aber der Mann schüttelte nur lachend seinen Kopf. Enttäuscht ließ sich das Mädchen zurück auf die Matratze fallen, den Blick wieder zu der Decke gerichtet.

"Was ist es dann?"

"Wir haben ein neues Experiment ausgearbeitet, was uns dabei helfen wird, dein Gehirn besser zu erforschen. Das könnte uns neue Einsichten geben und uns schneller zu einem Heilmittel führen. Ist das nicht gut?", fragte der Mann mit einem begeisterten Ton in seiner Stimme, aber das Mädchen sah ihn nur fragend an. Langsam hatte sie sich wieder aufgerichtet, aber sie verstand den Sinn seiner Worte noch nicht ganz. Es wurde noch nie an ihr experimentiert. Sie wusste nicht wirklich, was sie sich darunter vorstellen sollte.

Der Doktor schien ihren fragenden Blick wohl bemerkt zu haben, denn er lehnte sich leicht nach vorn und sah sie durch dringlich an. Es wirkte beinahe streng, aber sie wusste, dass der Mann vor ihr nicht so war. Er hatte in den letzten Jahren immer auf sie aufgepasst, er würde sie sicherlich keinem gefährlichen Experiment aussetzen.

"Es ist nichts, wovor du dich fürchten solltest. Es wird unserer Forschung helfen und die Suche nach dem Heilmittel erheblich beschleunigen! Du weißt doch noch was passieren wird, sobald wir das Heilmittel haben?", fragte er mit einem leichten Lächeln und sofort nickte das neunjährige Mädchen.

"Wir gehen an das Meer.", sagte sie und erwiderte das Lächeln.

"Ganz genau. Also, bist du bereit?", fragte er, was Rosalind mit einem langsamen Nicken beantwortete. Schnell erhob sie sich von ihrem Bett und folgte dem Doktor aus dem Zimmer hinaus auf den weißen Gang. Nachdenklich wanderte ihr Blick über die anderen Türen, deren Schilder leer waren. In dem ganzen Gang stand nur bei ihr ein Name, was sie immer wieder traurig stimmte. Das Mädchen wusste, was es bedeutete. Es gab keine anderen Kinder in ihrem Alter.

"Wann kann ich Aidan sehen?", fragte sie nach einigen Sekunden stille, aber der Mann neben ihr reagierte nicht. Einige Sekunden brauchte sie, um zu realisieren, dass sie ihn nicht mehr so nennen durfte. Er hatte einen neuen Namen bekommen, genau wie sie.

Rosalind konnte sich allerdings nicht an den neuen Namen ihres Bruders gewöhnen, während sie ihren eigenen schon fast vergessen hatte. Nur wie eine wage Erinnerung existierte er noch in ihrem Hinterkopf und es war ihr unmöglich ihn wieder aus den Kammern des Vergessens herauszuholen.