„Für dich vielleicht. Aber für mich… ist sie eine Erinnerung.“
Isa wollte weiterfragen, doch da hob Zeke eine Hand, fast beiläufig.
„Nicht jetzt. Ich bin müde vom Reden.“
Er stand auf, langsam, als würde jede Bewegung schwerer wiegen als nötig. Er drehte sich um, ging ein paar Schritte, dann blieb er stehen.
„Lass sie nicht fallen“, sagte er, ohne sich umzudrehen. „Sie ist empfindlicher, als sie aussieht.“
Und dann verließ er sie, die Schatten verschluckten seine Silhouette, und Isa saß allein dort – die Sanduhr in der Hand, das Herz noch immer zu schnell schlagend.
Was, zum Teufel, bist du wirklich, Zeke?
Zeke ließ seine Schultern kreisen, während er gemächlich durch die Flure des verfallenen Gebäudes ging. Es knackte und zog in den Gelenken – der Schlag gegen seinen Arm von Isa hatte tiefer gesessen, als er zugeben wollte. Doch mit jeder Bewegung lockerte sich der Schmerz, wich dieser vertrauten Spannung, die ihn nie ganz verließ.
Sollte sie es doch herausfinden.
Wenn Isa klug genug war, diese kleine Sanduhr zu entschlüsseln – wenn sie mutig genug war, die richtigen Fragen zu stellen – dann würde sie vielleicht verstehen.
Verstehen, warum sein Hass so tief saß.
Warum jede Faser seines Körpers danach dürstete, der Welt das zurückzugeben, was sie ihm genommen hatte.Er lachte leise in sich hinein, das Echo hallte dumpf von den rostigen Stahlwänden zurück. Ein kalter, trostloser Klang.
Mit einem letzten Schritt trat er durch die große offene Halle, die Türen hinter ihm knarrten geisterhaft im Wind. Die Luft war frisch, feucht vom vergangenen Regen. Die Dämmerung hatte sich wie ein schleierhafter Vorhang über das Gelände gelegt.
Zeke trat hinaus ins Freie.
Das Gras rund um das Gebäude war hochgewachsen, überwucherte längst alles, was hier einst gepflegt war. Alte Schilder lagen halb zerbrochen am Boden, von Moos überwuchert. Ein rostiges Metallgerüst ragte schief aus dem Boden – ein Mahnmal vergangener Industrie.
Er ging weiter, langsam, die Hände in den Taschen vergraben.
Der Boden unter seinen Stiefeln war matschig, doch er wich nicht aus. Jeder Schritt schien ein bewusster Widerstand gegen das Vergessen. Gegen das Verblassen dessen, was ihn hierher gebracht hatte.
Am Rand des Geländes erreichte er die alte Straße – kaum mehr als ein vom Asphalt gezeichneter Streifen durch die Wildnis. Auf der einen Seite Wald, auf der anderen nur Felder und Ruinen.
Zeke blieb stehen.
Er sah den Weg entlang, als könnte dort jemand kommen. Oder etwas.
Er wusste, Isa war nicht das erste Wesen, das sich in seine Welt verirrt hatte.
Aber sie war das erste, das ihn aus dem Takt gebracht hatte.
Und das würde Konsequenzen haben.Langsam neigte er den Kopf zur Seite, ließ den Nieselregen erneut auf seine Haut treffen, ohne sich die Kapuze wieder überzuziehen.
„Finde es heraus, Isa“, murmelte er in die Dämmerung. „Finde heraus, was ich bin. Und dann frag dich, warum du immer noch lebst.“
Dann setzte er sich wieder in Bewegung – langsam, kontrolliert.
Ein Mann auf einem alten Pfad.
Ein Schatten mit Geschichte.Isa drehte die kleine Sanduhr zwischen ihren Händen, als könne sie darin mehr entdecken als nur die feinen Körner, die unaufhaltsam durch den dünnen Glashals rieselten. Das Objekt wirkte alt, der Rahmen war aus mattem Messing gefertigt, und das Glas war an einigen Stellen leicht verkratzt. Als Zeke es ihr zugeworfen hatte, war sie noch zu erschöpft gewesen, um mehr als Verwirrung zu empfinden.

DU LIEST GERADE
No Way Out | Eine Julien Bam FF
FanfictionAls Isa in einer verlassenen Industriehalle aufwacht, wei? sie nicht, wie sie hierhergekommen ist. Doch sie ist nicht allein. Eine Gestalt mit brauner Kapuze, einem vermummten Gesicht und einer grotesken Brille tritt aus den Schatten. Der Sandmann...