Die Halle lag wieder still. Kein menschlicher Laut durchbrach mehr die Schatten zwischen den zerfallenen Wänden, keine wütenden Stimmen, keine zischenden Worte. Nur das Schaben von Leder und das Klirren von Glas, als Zeke sich langsam bückte und die verstreuten Ampullen wieder einsammelte.
Seine Finger zitterten leicht. Nicht vor Angst. Nicht einmal vor Wut. Es war… Erschöpfung. Magie kostete. Und die gelbe Ampulle, dieser elende Trank — der Magie-Verstärker — hatte ihn zwar befreit, doch er spürte, wie der Preis dafür sich bereits in seinen Knochen einnistete.
Mit einem müden Seufzen ließ er die letzte Ampulle in seinen Beutel gleiten und befestigte ihn wieder an seinem Gürtel. Das vertraute Gewicht erinnerte ihn daran, wie wenig ihm eigentlich noch blieb. Und dass selbst das nicht wirklich ihm gehörte. Nicht der Beutel. Nicht die Tränke. Nicht die Macht.
Nicht einmal die Erinnerung.
„Hallo, alter Freund“, murmelte Zeke und hob den Blick.
Hoch über ihm saß der Rabe auf einem rostigen Stahlträger, das glänzende Gefieder schimmerte schwärzlich-blau im schwachen Licht. Er sah auf ihn herab, reglos, wie ein stiller Zeuge all dessen, was sich hier in den letzten Stunden entfaltet hatte.
Zeke riss ein Stück trockenes Brot aus seiner Tasche — ein armseliger Rest aus einem alten Vorrat — und warf es mit geübter Bewegung nach oben. Der Rabe schwang gemächlich die Flügel, fing das Brot im Flug und landete wieder auf seiner Stange, das Mahl zwischen Schnabelspitzen balancierend.
„Sieht so aus, als würden wir zwei weiter allein sein“, sagte Zeke leise, mehr zu sich als zu dem Vogel. Ein bitteres Lachen verließ seine Kehle. Trocken. Hohl.
Der Rabe krächzte.
Zeke schnaubte. „Oh bitte. Ich renn ihr doch nicht hinterher. Sie wollte unbedingt gehen, soll sie doch sehen, dass es da draußen nichts gibt.“
Der Rabe antwortete nicht mehr. Nur das Schaben seiner Krallen war zu hören, als er sich leicht bewegte. Zeke starrte ihn an.
„Was? Jetzt guck nicht so. Du bist ein Vogel, du hast nicht mal ein Konzept von Ironie.“
Wieder Krächzen.
Zeke winkte ab. „Wir haben Wichtigeres zu tun. Erspar mir deine Diskussionen.“ Seine Stimme klang genervt. Er hasste es, wie viel Raum Isa in seinen Gedanken eingenommen hatte. Wie leicht sie ihn durchschaut hatte, wie sehr sie ihn aus dem Gleichgewicht gebracht hatte. Niemand sonst hatte ihn je so weit in die Ecke getrieben. Nicht mit Worten. Nicht ohne Magie. Nicht mit einem Blick, der ihn trotz seiner Lügen einfach gesehen hatte.
Er ging los, durch die leere Halle, den Raben über sich kreisend. Jeder Schritt hallte nach. Als würde er in einem Mausoleum wandeln.
Was war sie? Ein Störfaktor? Ein Test? Ein Fehler im System? Oder... hatte die Welt nicht längst aufgehört, solche Fragen zu stellen?
Zeke blieb kurz stehen, seine Hand glitt unbewusst zu dem Verband, den er entfernt hatte. Die Wunde darunter war verschwunden — aber nur oberflächlich. Der Trank hatte das Fleisch geheilt, nicht den Rest. Und selbst wenn sie gegangen war: Isa hatte etwas in ihm aufgerissen, das nicht so leicht heilte.
Ein Schatten zog über ihn, als der Rabe über ihm hinwegflog und am anderen Ende der Halle auf einem zerborstenen Fensterrahmen landete. Der Himmel dahinter war graublau, mit einem leichten Hauch von Nebel.
„Weißt du…“ Zeke sprach wieder, diesmal leiser. „Ich dachte, ich hätte meinen Frieden mit dem Alleinsein gemacht. Und dann kommt sie mit diesen verdammten Sommersprossen und ihrem Blick, als könnte sie mich reparieren.“

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No Way Out | Eine Julien Bam FF
FanfictionAls Isa in einer verlassenen Industriehalle aufwacht, wei? sie nicht, wie sie hierhergekommen ist. Doch sie ist nicht allein. Eine Gestalt mit brauner Kapuze, einem vermummten Gesicht und einer grotesken Brille tritt aus den Schatten. Der Sandmann...