Sie erreichte die Tür zum Erdgeschoss und spähte hinaus.
Nichts.Langsam, Schritt für Schritt, trat sie auf die Straße. Ihre Augen wanderten ständig in alle Richtungen. Hinter jede Ecke, auf jedes Dach, jede Bewegung zwischen Schatten und Dunst.
Der Fahrer war nicht mehr zu sehen. Kein Motorengeräusch, kein Flackern der Lichter am Fahrzeug. Nichts.Aber Isa vertraute dem Frieden nicht.
Sie duckte sich, hielt sich dicht an den Wänden, schob sich durch verlassene Tore, unter kaputten Markisen hindurch, zwischen Autos hindurch, die aussahen, als hätten sie seit Jahrzehnten niemanden mehr gesehen.
Sie musste ein neues Versteck finden. Etwas, das tiefer lag.
Vielleicht ein Keller. Oder ein Tiefgaragenkomplex.
Irgendetwas, das einen Fluchtweg hatte und nur einen Eingang, den sie im Blick behalten konnte.Die Angst nagte wie eine Ratte an ihrem Verstand.
Und obwohl sie völlig allein war, hatte sie das Gefühl, beobachtet zu werden.
Nicht laut. Nicht feindlich.
Aber konstant.
Wie ein Atem im Nacken.
Wie ein Blick im Dunkeln.Die rostigen Gitter der Eingangstreppe zur U-Bahn bogen sich leicht unter ihrem Gewicht, als Isa sie hinabstieg. Mit jeder Stufe wurde es kühler, feuchter, und die Geräusche der toten Stadt über ihr verloren sich in dumpfer Ferne.
Der letzte Lichtstrahl verschwand, als sie um eine Ecke bog.
Finsternis umfing sie – dicht wie Stoff.
Ein Hauch modriger Luft wehte ihr entgegen, vermischt mit dem Geruch von altem Eisen, Schimmel und dem längst vergessenen Leben.Isa tastete sich vorsichtig an der Wand entlang, bis sie mit der Schulter gegen etwas Metallenes stieß. Eine rostige Werbetafel, daneben eine durchsichtige Scheibe, in der einmal ein Plan gesteckt haben musste.
Was immer hier früher stand, war von der Zeit gefressen worden.
Das einst farbige Halteschild über der Bahnsteigkante war nur noch eine blasse Erinnerung, kaum mehr als ein abgeplatzter Farbrest auf rissigem Emaille. Kein Name, keine Orientierung.
Nur Stille.Die Rolltreppen standen still.
Eine einzelne Taube flatterte auf und ließ Isa erschrocken zusammenzucken.
Dann war es wieder ruhig.Sie tastete sich tiefer in die Station hinein, stieg die letzte Treppe zum Bahnsteig hinab und fand schließlich einen halb umgestürzten Fahrkartenautomaten.
Sie zog ihre Jacke enger, kauerte sich daneben und lehnte den Kopf kurz an das kalte Metall.
Ihr ganzer Körper vibrierte vor Erschöpfung.
Das leichte Sirren in ihrem Kopf war zurück. Hunger.
Durst.
Der Druck in der Brust, der seit Tagen nicht mehr verschwunden war.Aber hier war es ruhig.
Hier war es sicher.
Vorerst.Sie würde sich nur kurz ausruhen. Nur ein wenig.
Gerade als sie die Augen schloss, hörte sie es.
Ein fernes, regelmäßiges Tropfen. Wasser irgendwo in der Dunkelheit.
Und dann – war da nicht ein leichtes Echo?
Ein Geräusch, das nicht von ihr gekommen war?Sie hielt den Atem an.
Lauschte.Nichts.
Vielleicht war es nur ihr Verstand, der ihr erneut Streiche spielte.
Oder aber... jemand war ihr tatsächlich gefolgt.Langsam kroch sie weiter zur Wand, verbarg sich zwischen alten Infotafeln und einem zerbrochenen Mülleimer. Ihre Finger zitterten, als sie den Dolch ertastete, den sie noch immer bei sich trug.
Der Dolch, den Zeke ihr gegeben hatte.
Oder vielmehr – den sie ihm genommen hatte.Isa schloss die Augen einen Moment.
Was, wenn er es war?
Was, wenn er...?Doch das Tropfen blieb das Einzige, das die Stille füllte.
Für jetzt.
Die Dunkelheit der U-Bahn-Station lag wie eine bleierne Decke über Isa, schwer und fast greifbar. Sie hatte sich zwischen rostigen Automaten und zerfallenen Bänken eingerichtet, den Rücken gegen kalten Beton gelehnt, die Knie angezogen. Ihre Augen waren halb geschlossen, der Schlaf so nah, dass er schon an ihren Gedanken zerrte.

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No Way Out | Eine Julien Bam FF
FanfictionAls Isa in einer verlassenen Industriehalle aufwacht, wei? sie nicht, wie sie hierhergekommen ist. Doch sie ist nicht allein. Eine Gestalt mit brauner Kapuze, einem vermummten Gesicht und einer grotesken Brille tritt aus den Schatten. Der Sandmann...