Seit mittlerweile mehreren Minuten fuhren Jake und ich in Richtung La Push, vorbei an den unendlich wirkenden Wäldern, durch deren Bäume immer mal wieder ein paar Sonnenstrahlen durchblitzten. Ein herrlicher Tag, wenn man sich nicht gerade mit einem Kater quälte.
Ich hatte meine Fensterscheibe heruntergelassen und mein Kinn auf meinen verschränkten Armen abgelegt, während der Fahrtwind durch mein Gesicht wehte. Entspannt schloss ich die Augen und genoss die frische Luft sowie die Ruhe, in welcher nur das Brummen des Autos zu hören war, gepaart mit etwas Vogelgezwitscher.
Dass wir nicht miteinander sprachen, störte mich nicht – ganz im Gegenteil. Das Schweigen hatte etwas beruhigendes an sich. Eine Empfindung, die ich definitiv nur bei wenigen Menschen hatte. Denn normalerweise konnte ich Stille nur schwer ertragen und verspürte meist den Drang sie mit Gerede zu durchbrechen. Nicht so aber bei Jake. Ein angenehmer und zugleich beunruhigender Gedanke, wenn man bedachte, dass ich ihn noch bis gestern verflucht habe.
Ich schreckte auf, als plötzlich mein Handy zu klingeln begann und ich Stephans Namen auf dem Display sah. Gedankenverloren schaute ich auf sein eingeblendetes Bild, ohne mich dabei zu rühren.
„Willst du nicht rangehen?", weckte Jake mich aus meiner Starre und erinnerte mich daran, dass ich gerade nicht allein war.
Etwas zerstreut schaute ich zu ihm rüber – ich war eindeutig noch nicht vollständig gesellschaftstauglich.
„Ja, sollte ich wohl...", murmelte ich vor mich hin, ehe den Worten auch Taten folgten und ich abnahm.
„Na, vermisst mich da wer?", begrüßte ich meinen besten Freund und konnte sein schnaubendes Lachen hören.
„Das sollte ich wohl eher dich fragen, bei deinen nächtlichen Liebesbekundungen, die du mir geschickt hast..."
Vor meinem inneren Auge sah ich ihn belustigt die Augenbrauen hochziehen.
„Im Gegensatz zu dir, teile ich meine Gefühle nun mal gerne mit meinen Liebsten...", tadelte ich ihn.
„Tja, dann sollte ich mir wohl mal ein Beispiel nehmen und dir sagen, wie enttäuscht ich von dir.", erwiderte Stephan unerwarteterweise, woraufhin mir mein Herz in die Hose rutschte.
Oh nein. Meine größte Angst fing an sich zu bewahrheiten, während ich das Gefühl hatte, dass die Welt um mich herum jeden Moment ins Chaos stürzen würde. Wusste er etwas von der Sache mit Jake? Wusste er, wie ich mich ihm gestern angebiedert hatte? Hatte ich ihm gestern womöglich irgendwas in dieser Richtung gesagt? Wie sollte ich nur jemals ohne meinen besten Freund auskommen?
Bevor die Fragen in meinem Kopf Überhand nehmen konnten, ergriff Stephan wieder das Wort: „Da holst du nach langer Zeit mal wieder Crashley heraus und ich bin nicht da?!"
Sein Ernst?
Worte konnten nicht beschreiben, wie groß der Stein war, der mir augenblicklich vom Herzen fiel, während ich erleichtert ausatmete. Crashley stand für ‚Crazy Ashley' und war Stephans Spitzname für mein betrunkenes Ich. Sehr lustig, ich weiß...
Und wie sich gestern mal wieder gezeigt hat: Der Name war Programm.
„Das kommt eben davon, wenn man seinen Hintern nicht aus L.A. wegbewegen kann und sich mal endlich in einen Flieger setzt, um mich zu besuchen... Dann muss ich eben ohne dich Spaß haben..."
Ich hoffte inständig, dass er das leichte Zittern in meiner Stimme nicht hören konnte. Zu tief saß noch der kurzzeitige Schock, über das imaginäre Ende unserer Freundschaft. Ich hasste es mit Stephan nicht offen und ehrlich über die ganze Sache sprechen zu können. Doch stand für mich fest, dass ich ihm das mit Jake, was auch immer ‚das' war, einfach nicht sagen konnte. Selbst wenn es unsere Freundschaft am Ende doch noch überstehen würde, so wollte ich ihn nicht in eine blöde Lage gegenüber David bringen. Das hatte Stephan nicht verdient.

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If It Makes You Happy It Can't Be That Bad | Jacob Black
Fanfiction[...] Vertieft in meine Gedanken, nahm ich erst nach wenigen Sekunden eine Gestalt oben an der Klippe wahr. Sie war so weit weg, dass ich gerade mal erkennen konnte, dass es sich um einen Mann handeln musste, welcher ebenfalls auf das Meer schaute...